Einladung zum Philo-Zirkel am Do. 24.Oktober 2024 um 19.30h im Mitgliederraum
Der Philo-Zirkel lädt zur ersten Sitzung im Wintersemester 2024 am 24.Oktober ein. Wie immer beginnen wir mit einem allgemeinen Gespräch über die Grundfragen der Philosophie ohne spezielle Fachgrundlegung. Jeder kann sich einbringen ohne Voraussetzungen. Diesmal wollen wir die Übung versuchen an des Angelus Silesius Versen:
„Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß;
Ein Ding und nicht ein Ding; ein Tüpfchen (auch: ‚Pünktchen‘/ ‚Fünkchen‘) und ein Kreis."
Unser Ziel ist nicht akademisch, sondern die Orientierung in einer sinnbedürftigen Welt.
Es wäre schön, wenn die Teilnehmenden schon mal einen Blick auf die beiden Dateien werfen: ‚Postmetaphysik‘ (etwas ‚abgedreht‘) und ‚Platon‘.
Daten unserer Treffen: 24.Oktober 2024, 28.November, 12.Dezember
23.Januar 2025, 13.Februar, 13.März, 03.April und am 08.Mai.
Für den Philo-Zirkel: Dr. Reinhart Schönsee
Elemente der Erkenntnistheorie, geordnet nach den Gesprächen am 24.Oktober 2024
Wir haben übungsweise versucht, die philosophischen Voraussetzungen des Sinnspruchs des ‚Angelus Silesius‘ zu benennen. (Der Cherubinische Wandersmann. Glogau. 1675)
Ich weiß nicht, was ich bin; /Ich bin nicht, was ich weiß;
Ein Ding und nicht ein Ding; /Ein Pünktchen (auch Fünkchen) und ein Kreis.
1. Parmenides: ‚Denken und Sein sind Eines.‘ (Geist und Materie ist eins.)
2. Augustinus über die Zeit: „Wenn ich nicht darüber nachdenke, weiß ich es; wenn ich aber darüber nachdenke, weiß ich es nicht.“
3. Der Mensch mit dem‚gesunden (naiven) Menschenverstand‘ lebt in der ‚Wirklichkeit‘ seiner Kultur. ‚Parmenides‘ ist gar nicht sein Problem. Fragt er aber, warum der Stein, den er trägt, schwer ist, oder warum er mit dem Hammer besser Nägel einschlagen kann als mit einem Holz, dann tritt die Grenzziehung auf: Er ist ‚Subjekt‘ und die Welt (Stein/ Hammer) wird ‚Objekt‘.
4. Der ‚normale Mensch‘ sitzt im Philo-Zirkel und spricht mit den anderen. Die Frage, ‚wo bin ich hier Ich?‘ und wo sind die ‚Anderen ‚Nicht-Iche oder auch Iche?‘ kommt ihm gar nicht. Er hat die Moleküle aller anderen längst eingeatmet, seine Aura mischt sich mit dem Nachbarn, seine Wärme füllt ununterscheidbar mit den Anderen den Raum.
5.Wittgensteins Satz tritt ins Bewusstsein: „Es gibt keine Grenzen, aber du kannst welche ziehen.“
6. Doch wie ?: Es gelingt nicht, eine physikalische Grenze zwischen ‚Ich‘ und dem ‚Anderen‘ zu ziehen. Die Haut taugt nicht; sie ist Membran und im Austausch zwischen Innen und Außen.
7. Jetzt kommt der ‚Privilegierte Zugang des Ich‘ zu sich selbst (Descartes) ins Spiel: Zwischen mir und meinem Bewusstsein gibt es keine physische Grenze. Ich weiß: ‚Ich denke, also bin ich.‘ Was sagt aber dieses ‚bin?‘
8. Mein Ich ist eine ‚res cogitans‘, dimensionslos, ohne Materie, ist ‚Geist‘. Materie ist
‚res extensa‘ nach Descartes, also ausgedehnt, dimensionsbezogen.
9. ‚Mind is never matter‘(„never mind!“); ‚ich weiß nicht ‚was‘ ich bin‘. Die sinnliche Welt ist nicht mit dem Ich und auch nicht mit dem reinen Denken erfassbar.
10.„Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ (Kant, KdrV, II, 1, S.51/75/)
11. Der Verstand ist das Vermögen zu Begriffen: Wie kann er sich ‚füllen’ mit der sinnlichen Welt als ‚Anschauung‘?
12. Anschauung ist ein kreatives Vermögen der Imagination (der ‚Einbildungskraft‘ ); was sie anschaut, ist aber nur im Bild ohne Begriff ein Ganzes; begrifflich zerfällt das ‚Kontinuum‘ (das Fließbild der Welt) bei der ‚Grenzziehung‘ in Diskontinuitäten (Atome), Kraftfelder, Wirkungen ‚Erfahrungen‘), deren Ursachen völlig unbekannt bleiben müssen. Wie kommen beide Vermögen (Einbildungskraft und Verstand) so zusammen, dass sie die ‚Wahrheit‘ begründen, nämlich: Der Mensch sei „ein Pünktchen und ein Kreis.“? (Res cogitans und res extensa) ( :‚Parmenides‘!) Das ist das Problem der Metaphysik in der Philosophie! (Daran werden wir weiter arbeiten.)
13. Wir haben einige Voraussetzungen erkannt: Ohne Gedächtnis, ohne Erinnerung, (‚Memoria‘, Augustinus‘), können meine Erfahrungen als Gendanken nicht kohärent sein. Mein ‚Ich‘ muss also „alle meine Gedanken begleiten können.“ (Kant)
14. Denken ist ‚anstrengend‘, ist ‚Tat‘ (Fichte), d.h. nur im Zusammenwirken aller Vermögen mit dem Willen gelingt es, wenn die Tat ‚Erkenntnis‘ werden soll. (Schopenhauer) (Sensualismus reicht nicht: Unser Verstand ist keine Wachstafel, auf welche Eindrücke (Impressionen) eingeschrieben werden. (Locke)
15. Wir haben über die Wichtigkeit der ‚Intuition, Inspiration und Imagination‘ gesprochen. ‚Intuition‘ galt uns (näherungsweise) als eine unmittelbare (‚augenblickliche‘) Begegnung mit der Welt, die uns zu einem Eingreifen ermuntert, ohne dass Begriffe vorausgehen. (‚Bauchgefühl‘)
16. Eine gewisse Verwandtschaft der Intuition besteht zu dem gefühlten Auftrag des „Gemeinsinns“ („sensus communis“), der im 18. Jh. eine selbstverständliche Haltung in der bürgerlichen Kultur war. Für Kant verband er sich unmittelbar mit ‚Humanität‘. (Vgl. A. u. J. Assmann: „Gemeinsinn“. 2024)
17. Hierzu die bekannte Feststellung des Verfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Der freiheitliche, säkulare Staat lebt von den Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Er brauche ein „Ethos“ einer „gelebte Kultur“, „Aufklärung“, ,Gemeinsinn‘.- Dieses ‚Darüber hinaus‘ der Verfassung verlangt Intuition, eingebettet in ‚ intuitive Humanität und Kultur‘. ‚Metaphysik‘ ist die Forderung, die der Verstand nicht einlösen kann; er braucht etwas ‚ ‚drüber hinaus‘. Das ist sein ‚Vermögen zu Ideen‘. (Nuspoietikos: Aristoteles)‚ Dynamis der Episteme (Platon), aktive Phantasie ( Inspiration) und die Fähigkeit zu einer regelbasierten Aussteuerung der Empfindungen. (Goethe: „Alles, was im Subjekt ist, ist auch im Objekt und noch etwas mehr“. Max. Refl. Nr. 1376)
18. Wie das gesucht und probiert wird, zeigt Ernst Cassirer in seiner großen Schrift: „Das Erkenntnisproblem.“ (2 Bde. 1922.): Der Weg geht vom „Substanzbegriff“ zum „Funktionsbegriff“.