Für Tiere sprechen
Von R.Schönsee
Haben Tiere Rechte?
Tierschutzgesetze benennen Tiere als „Geschöpfe“. Die implizierte Wertung führte uns auf Herders Satz aus seinen „ Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ und bot den Ausgang für unser Projekt:
„Der Mensch ist der erste Freigelassene der Schöpfung“.
Das Schema (s.u.)zeigt die Ableitung unserer Verantwortung für die Geschöpfe und die Natur. Aus dem Bewusstsein der Verschränkung von Mensch und Welt ergibt sich die Verantwortung für diese Welt. Selbsterkenntnis, Sprache und Erinnerung führen auf sein Wissen, als unspezialisiertes Wesen in die Natur mit ‚Prothesen‘ eingreifen zu müssen. Sein Handeln aus Mündigkeit begleitet seine Erinnerung. Erinnerung aus Mündigkeit führt zum Bewusstsein seiner Verantwortung für die Erde als seine Lebenswelt im Kosmos.
Der Text des Novalis: „Alles spricht“ schließt Mündigkeit und Schrecken zusammen:
„Könnte die Natur nicht über den Anblick Gottes zu Stein geworden sein?
Oder vor Schrecken über die Ankunft des Menschen?.-
Der Mensch spricht nicht allein – auch das Universum spricht –
alles spricht – unendliches Sprechen. Lehre von den Signaturen.“
Heute ist die Signatur der Wälder z. B. ein Ausdruck ihrer Schönheit (oder Hässlichkeit : ‚Waldsterben‘), und ihre Schönheit als Naturästhetik ist wiederum Zeichen für ein nachhaltiges Wachstum. Der Prothesengott kann aber auch die Natur im „Schrecken“ erstarren lassen.
Im Sinne des Novalis laute darum unsere Frage: Wie können wir aus dem Bewusstsein der Signaturen für Tiere sprechen?
Die Frage ist brennend aktuell: Die Diskussion um unsere Essensgewohnheiten hat längst die Medien erreicht: Ob Vegan, vegetarisch, ob fleischreduziert, die Fleischindustrie sucht nach Fleischersatzstoffen. ‚Bio‘ ist Verkaufsschlager.
Wir haben darum 9 Thesen (s. unten) diskutiert, die sich aus unseren Überlegungen ergeben. Eine Frage haben wir noch nicht entschieden: Können wir für die Tiere sprechen, so dass sie in ihre eigene Schlachtung einstimmen?
Diese erste Betrachtung des Satzes Herders bezog sich auf den Menschen im Raum des Kosmos. Die zweite Betrachtung geht auf das Problem, „der Erste“ zu sein, also auf den „Anfang“ der Zeit. S. dazu: Der Ursprung der Zeit aus dem Bewusstsein des Menschen.(S.d.)
Für Tiere sprechen. Ein Parlament für ‚Mitgeschöpfe‘. Verwirklichung einer Politik der Nachhaltigkeit aus empathischer Vernunft. Neun Thesen.
Von Reinhart Schönsee
1. Menschen und Dinge sind ineinander verschränkt. Wir sind ein gemeinsames Kollektiv.
2. Empathie mit den Dingen als Wesen gelingt über Anerkennung der Wechselinteressen der Anderen. Deren Interessen gilt es demokratisch zu fassen. Die „Wesen“ erhalten ein „Stimmrecht“.
3. Wie?: Gründung einer Arena der Risikokontrolle global: Stellvertreter für die nichtmenschlichen Wesen sprechen auf wissenschaftlicher Basis für ihr gemeinsames Kollektiv. ‚Für Tiere sprechen‘.
4. Technik verknüpft immer mehr Menschen mit Dingen und assoziiert Menschen mit Maschinen. Gefahr: Der Prothesengott unterliegt den Prothesen.
5. Die instrumentelle Vernunft braucht Kontrolle durch die empathische Vernunft mit der stellvertretenden Unterstellung einer Würde der Dinge. (Rinderwahnsinn: Man muss Konsumenten und „Kühe“ fragen. Kreisläufe achten.)
6. Die Welt wird politisch zur Arena der Wesen: Im Dialog der freien Wesen (Mündigkeit) werden die Weltbilder integriert, um über den ‚artgerechten‘ Umgang mit den Mitgeschöpfen zu entscheiden, über deren Wert, nicht über deren Preis.
7. Technik, Industrien, Aktien und Wissenschaften müssen in eine Geltungsforderung eintreten, die vom ‚Gemeinsinn‘ gedeutet wird.
8. Die Unendliche Kette der Wesen wird über Gemeininteressen fixiert durch den Umweg über die Interessen der ‚Anderen‘. Die Grenzen werden Spur für die Erkenntnis der wechselweisen Verschränkung.
9. Die Transformationskette muss in der Bandbreite der Wechselinteressen der Wesen bleiben; sie darf nicht in die Sprache der Warenwelt verdinglicht werden. Dabei ist durchaus auch der ‚Preis‘ zu beachten, allerdings mit Bezug auf das Kollektiv zu bewerten.